Friedrich Adler wird am 9. Juli 1879 als Sohn Victor Adlers, des Mitbegründers der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs (SDAPÖ), in Wien geboren. Auf Anraten seines Vaters nahm Friedrich Adler 1897 ein naturwissenschaftliches Studium in den Fächern der Chemie. Mathematik und Physik an der Universität Zürich auf, das er 1905 mit dem Doktortitel abschloß. Als aktiver Sozialdemokrat versuchte er die neuesten Erkenntnisse der Physik, insbesondere die Lehre von Ernst Mach, für den Marxismus fruchtbar zu machen, in der Philosophie Ernst Machs, die den geistigen Boden für die Einsteinsche Relativitätstheorie vorbereitete, sah Friedrich Adler eine fundierte Kritik an der Gleichsetzung von Materialismus mit einem mechanischen Materialismus, der auch der Verfälschung des Marxismus zugrunde lag, die die Arbeiterbewegung zu einem blinden Spielball naturhistorischer Prozesse degradierte, indem sie ihre aktiv gestalterische Kraft in der Geschichte gegen Null reduzierte. Nach dem Studium war er zunächst als Mitarbeiter am Deutschen Museum in München tätig und bereitete seine Habilitation vor, die 1907 erfolgte. Danach ging er als Privatdozent wieder nach Zürich. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit hielt er Vorträge in Arbeitervereinen und arbeitete an der sozialdemokratischen Tageszeitung „Volksrecht" mit, deren Chefredakteur er 1910 wurde.

1911 folgte Friedrich Adler dem Ruf seiner Partei und kehrte zurück nach Wien, wo er einer der vier Sekretäre der SDAPÖ wurde und das Ressort "Wahlpropaganda" übernahm. 1913 wird er Mitherausgeber des theoretischen Organs der österreichischen Sozialdemokratie, "Der Kampf, die seit 1907 erschien. Seine Zeitung „Das Volk" wird bei Ausbruch des ersten Weltkrieges als einzige Zeitung verboten. Am 8. August 1914 überreicht Friedrich Adler aus Protest gegen einen in der "Arbeiter-Zeitung" erschienenen Artikel, in dem der 4. August -der Tag der Bewilligung der Kriegskredite - als "Tag der deutschen Nation" verherrlicht wurde, seine Demission als Parteisekretär ein. Er avancierte zum prominentesten innerparteilichen Kritiker der "Burgfriedenspolitik" des Parteivorstandes der SDAPÖ. Im Herbst 1915 formuliert er das Manifest „Die Internationalen Österreichs an die Internationalen aller Länder", das einen Frieden ohne Annexion und Kontributionen fordert. Unter seiner Führung organisiert sich seit 1916 die innerparteiliche Opposition im Verein "Karl Marx", dessen Präsident er wird. Am 21. Oktober 1916 erschießt Friedrich Adler den österreichischen Ministerpräsidenten Karl Graf Stürgkh, den Mann, in dem sich für das Volk die Schuld am Krieg und das Regime des Absolutismus verkörperte. Daraufhin wurde er im Mai 1917 zum Tode verurteilt, aber im November zu 18 Jahren Kerker begnadigt. In der Haft entsteht sein philosophisches Hauptwerk „Ernst Machs Überwindung des mechanischen Materialismus". Am 1. November 1918, unmittelbar vor dem Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn, wurde er von Kaiser Karl begnadigt und aus dem Zuchthaus entlassen. Er unterstützte die im Januar beginnende spontane Bildung von Arbeiterräten und trug dazu bei, daß sie sich in einem Reichsarbeiterrat zusammenschlössen. Die Arbeiterräte stellten für ihn eine Möglichkeit dar, den Kampf zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten friedlich auszutragen. Die am 3. November 1918 gegründete Kommunistische Partei Österreichs bittet ihn, Vorsitzender dieser Partei zu werden, er lehnt ab. Eine Wiederholung der russischen Revolution von 1917 sei in Österreich zum Scheitern verurteilt. Die Gründung der Kommunistischen Parteien stellten keine Stärkung, sondern eine Schwächung der Arbeiterbewegung dar, weil sie die Spaltung vertiefe und nicht überwinde. Überwunden könne sie nur werden, wenn es gelänge, an die demokratischen und revolutionären Errungenschaften der II. Internationale anzuknüpfen. Friedrich Adler wird im Februar 1919 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung. Im März wählt ihn die Zusammenfassung der österreichischen Arbeiterräte, der Reichsarbeitsrat, zum Vorsitzenden. Gemeinsam mit Otto Bauer verhindert er die Machtergreifung der Räte, weil er einer isolierten Räteherrschaft in Österreich keine Chancen einräumt. Als Mitglied der österreichischen Delegation zur Internationalen Sozialistischen Konferenz in Bern spricht er sich gegen die Wiederbelebung der II., sozialreformistischen und gegen die Gründung der III., kommunistischen, Internationale aus. Statt dessen engagierte er sich bei der Vorbereitung der im Februar 1921 in Wien gegründeten "Internationalen Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Parteien" (Internationale "zweieinhalb"), die sich die Aufgabe stellte, eine neue Internationale zu schaffen. Friedrich Adler wird ihr Sekretär. Nach dem Scheitern von Vereinigungsbestrebungen aller drei Internationalen 1923 trug Friedrich Adler zur Gründung der Sozialistischen Arbeiterinternationale (dem Zusammenschluß von zweiter und „zweiein-halbter" Internationale) bei, die sich im Mai in Hamburg konstituierte und ihn zum Sekretär wählte. Bis 1939 übte er diese Funktion aus. zuerst in London, ab 1927 in Zürich und dann in Brüssel. Sie stand im Zeichen der Bemühungen, den Widerspruch zwischen den zwei Hauptströmungen der Arbeiterbewegung, der sozialdemokratischen und kommunistischen, nicht zu in einen Bruderkrieg hinüberwachsen zu lassen. Nach der Niederlage der Sozialisten im Februaraufstand gegen das Dollfuß-Regime wird Friedrich Adler als Verwalter des Parteivermögens eingesetzt und Organisator juristischer wie materieller Hilfe für die Exilanten und Spanienkämpfer. 1940 flüchtet er vor den Faschisten aus Brüssel über Paris, Südfrankreich, Spanien und Lissabon in die USA. 1941 wird Friedrich Adler Präsident der von den US-Gewerkschaften unterstützten Flüchtlingshilfsorganisation Labor Aid Project. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte er keinen nennenswerten Einfluß mehr auf die Politik der österreichischen Sozialdemokraten. Sein Interesse gilt nun ausschließlich der wissenschaftlichen Arbeit. Die begonnene Biographie seines Vaters blieb unvollendet. Friedrich Adler starb nach langer Krankheit am 2. Januar 1960 in Zürich.

Schriften von Friedrich Adler

D»e Sozialdemokratie in Deutschland und der Krieg, Wien 1915

Friedrich Adlers politisches Bekenntnis. Friedrich Adlers Ausführungen anläßlich des Attentatsprozesses nach dem stenographischen Bericht der Wiener „Arbeiter-Zeitung", Wien 1917

Die Erneuerung der Internationale. Aufsätze aus der Kriegszeit, Vorwort von Karl Kautsky, Wien 1918

Ernst Machs Überwindung des mechanischen Materialismus, Wien 1918

Friedrich Adler vor dem Ausnahmegericht, Berlin 1919

Möglichkeiten der Internationale, in: Der Kampf, Wien 1920, Heft 10

Der Moskauer Prozeß und die Sozialistische Arbeiter-Internationale, Berlin 1931

Das Stalinistische Experiment und der Sozialismus, in: Der Kampf. Wien 1932, Heft 1

Victor Adler. Briefwechsel mit August Bebel und Karl Kautsky, Wien 1954 (Herausgeber)

Das Apriori des Sozialismus, in: Neues Forum, Wien, 1966, Heft 154

Schriften über Friedrich Adler:

Ardelt; Rudolf: Friedrich Adler. Probleme einer Persönlichkeitsentwicklung um die Jahrhundertwende, Wien 1984

Ardelt, Rudolf: Friedrich Adler und die "österreichische Revolution" 1918/1919, in:

    Zukunft, Wien 1979, Heft 8,

Braunthai. Julius: Victor Adler und Friedrich Adler. Zwei Generationen Arbeiterbewegung. Wien 1966

Aus: Michael Franzke / Uwe Rempe (Hrsg.) – Linkssozialismus, Texte zur Theorie und Praxis zwischen Stalinismus und Sozialreformismus, Leipzig 1998, ISBN 3-932725-36-0